Tour Glasmalerei

Gerade und besonders Mönchengladbach ist mit seinen Kirchen ein Ort, an dem die Vielfalt der Kunst der Glasmalerei exemplarisch und in teils herausragender Qualität erlebbar wird. Vom international bedeutenden gotischen Bibelfenster im Münster über die raren Zeugnisse der Jahrzehnte vor und nach der Wende zum 19. Jahrhundert liegt – nach den immensen Zerstörungen des letzten Krieges – gerade die Glasmalerei nach 1950 in bemerkenswerter Vielfalt und Qualität vor. Nicht ohne Grund befindet sich hier die Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts.

Glasmalerei Tour 
Das bunte Lichtspiel der Farben

Unser Rundweg stellt fünf Kirchen vor, die bequem fußläufig erreichbar sind. Wir wollen Ihre Augen und anderen Sinne öffnen für eine oft übersehene Kunst. Techniken und Stile vorstellen. Geschichten erzählen. Bewusstsein schärfen. Und Lust machen, auch andernorts hinzuschauen und zu erleben, wie die durch Glasmalerei gestalteten Farb-Licht-Räume unsere Wahrnehmung ändern.

Folgende Kirchen werden auf unserer Glasmalerei Tour vorgestellt:

Parkmöglichkeiten
Geroplatz unterhalb des Münsters,
im Umfeld St. Barbara / Botanischer Garten

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Tipps
Fernglas oder Opernglas mitnehmen
Tageszeit / Sonnenstand / Wetter beachten

TECHNIK

KÜNSTLER

GLOSSAR

Münster St. Vitus 
Ein faszinierendes Farbspiel

BIBELFENSTER
MITTLERES CHORFENSTER

Das berühmte gotische Bibelfenster von 1275 ist, bis auf drei untere Scheiben, original erhalten. Ein Original ist bei diesem Glas außergewöhnlich selten. Wenn Sie genauer hinschauen, erkennen Sie die drei Scheiben, die 1958 ergänzt wurden. Das Originalglas wurde im Krieg im Keller einer Odenkirchener Apotheke ausgelagert und blieb somit von Bomben verschont. Zum genaueren Betrachten des Bibelfensters ist ein Fernglas vonnöten.

HANS LÜNENBORG
SAKRISTEI 1981

Hans Lünenborg zitiert die formale Anlage der im Krieg zerstörten Fenster aus dem 16. Jahrhundert. Er verwendet erhalten gebliebene Scheiben und ergänzt sie durch eigene Grisaille-Malerei.

HANS LÜNENBORG
SAKRISTEI 1981

Die Grisaille-Malerei zeigt witzige Portraits von Propst Josef Kauff mit Haushälterin und Kantor Viktor Scholz mit Hund sowie die Graffitis von Generationen von Kirchendienern in der Umschrift des unteren linken Renaissance-Fensters.

WILHELM BUSCHULTE
SÜDLICHES SEITENSCHIFF 1976

Ornamentale grafische (Kreuz-)Strukturen aus Bleiruten und aufgemalten Linien auf sehr hellen Scheiben, eingefasst von dunklen Bändern, die die vormalige Fenstergröße aufgreifen.

ERNST JANSEN-WINKELN
NÖRDLICHES SEITENSCHIFF
UNTER DER ORGELEMPORE 2015

„Der Mensch in der Hand Gottes“ stiftete der ehemalige Kulturdezernent der Stadt, Anton Gathen, für die etwas versteckt gelegene, letzte freie Fensterfläche im Münster. Den Entwurf (aus den 70er Jahren) hatte Gathen bei einem Besuch in Jansen-Winkelns Atelier ausgewählt.

WILHELM GEYER
MARTINSKAPELLE
DETAIL MARTINS TOD 1960

Die Fenster im Chor und in der Martins-Kapelle sind die ersten, die nach dem Krieg eingebaut wurden. Wilhelm Geyer liebt kräftige Farben, das Türkis der Martinskapelle ist typisch ebenso wie die süddeutsche Art der Malerei, die die Bleiruten eher verschleiert als betont.

JOACHIM KLOS
KREUZGANG 1960

Die freie Komposition im (leider von außen vergitterten) Oberlichtfenster im Kreuzgang wirkt wie ein abstraktes Gemälde. Klos stattete zur gleichen Zeit die benachbarte Citykirche St. Mariä Himmelfahrt aus.

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Di – Fr 10 – 18 Uhr (Sommer)
Di – Fr 10 – 17 Uhr (Winter)
Sa & So zu den Gottesdienstzeiten

Citykirche St. Mariä Himmelfahrt
Ein faszinierendes Farbspiel

JOACHIM KLOS
FENSTER AN DER SÜDWAND

Mit diesem Fenster gewann Klos den Wettbewerb um das Glasbild des Jahres, gegen teils prominente Konkurrenz. Hier begründete er den Stil, dem er die späten 60er Jahre treu blieb: ungegenständlich, den Raum in tages- und jahreszeitlich sich ändernde Lichtstimmungen tauchend. Ein Klos-Werk der Spätphase ist das Fenster über dem Süd-Portal von 1998.

Jugendkirche St. Albertus
Ein faszinierendes Farbspiel

HERBERT SPIERLING 1976

St. Albertus war im Krieg komplett zerstört. Der Neubau mit dem Hahn von Georg Ettl erhielt 1976 eine helle Bleiverglasung aus Opalglas, die typisch ist für die 70er Jahre.

ERNST JANSEN-WINKELN
KAPELLE MARIÄ VERKÜNDIGUNG 1951

Die Kapellenfenster stammen aus dem benachbarten „Klösterchen“. Das Werk Ernst Jansen-Winkelns ist stark von der Grafik, vom Holzschnitt geprägt, typisch für die Glasmaler des Niederrheins.

Franziskanerkirche St. Barbara
Ein faszinierendes Farbspiel

ANTON WENDLING
SÜDWAND 1950

Nach dem Krieg wurde die Franziskanerkirche außen neugotisch wiederaufgebaut, im Inneren herrscht seitdem ein sachlich-weißer Ton, dem Wendling seine glühendrote Wand entgegensetzte. Fisch und Kreuz als Christussymbole prägen die Ornamentik.

ERNST JANSEN-WINKELN
CHOR 1977

In enger Absprache mit dem Orden schuf Jansen-Winkeln den „Sonnengesang des Hl. Franziskus“, die untere der drei Etagen ist den Stationen im Leben des Hl. Franz gewidmet. V.l.: Stigmatisation, Verkündigung, Caritas

JOACHIM POENSGEN
NORDWAND 2001

Die kinetische serielle Komposition entstand am Computer. Per Plotterfolie wurden die Schmelzfarben auf Industrieglas übertragen und eingebrannt (650 Grad). „Sie tun der Seele gut“, sagt Hausherr Pater Wolfgang.

ERNST OTTO KÖPKE
ANTONIUS-KAPELLE
JOHANNES DUNS SCOTUS 1952

Die Scheibe stammt wie ihre beiden Nachbarn aus dem in den 1980er Jahren geschlossenen, von Franziskanern geführten Antonarium in Neuss. Johannes Duns Scotus (1266?-1308) ist ein mittelalterlicher franziskanischer Theologe, die Akademie seines Namens hat ihren Sitz in Mönchengladbach.

Evangelische Christuskirche
Ein faszinierendes Farbspiel

JOHANNES SCHREITER
CHOR 1962

Erst Schreiters zweiter Entwurf „Introversion 26“ für die Öffnung des nach dem Krieg zugemauerten Chores fand die Zustimmung des Presbyteriums. Der junge, der Kunstwelt durch seine Rauch-Bilder bekannte Künstler, entwickelt in der ungegenständlichen Sprache des Informel eine große emotionale Ausdruckskraft. „Weltenbrand“. Betonglasfenster blieben nur wenige Jahrzehnte in Mode.

JOHANNES SCHREITER
CHOR 1962

Detail aus „Weltenbrand“

Technik der Glasmalerei
Entwerfen, Brennen, Bemalen

Die Technik der Glasmalerei, zumindest was die Bleiverglasung betrifft, hat sich seit dem Mittelalter kaum verändert. Künstler und Werkstatt arbeiten dabei meist arbeitsteilig. Der Künstler entwirft im Maßstab 1:10 oder 1:20, danach fertigen Künstler oder Werkstatt den „Karton“ in Originalgröße, von dem Schablonen genommen werden, nach denen zwei bis drei Millimeter dickes (Antik-)Glas geschnitten wird. Auf die farbigen Scheiben kann der Glasmaler mit Schwarzlot Linien, Konturen oder das Licht dämpfende Lasuren auftragen, in die Flächen ritzen, Licht und Schatten erzeugen.

Beim Brennen verbindet sich dann das Schwarzlot mit dem Glas. Die zum Gesamtbild mit Bleiruten zusammengefügten Fensterfelder werden mit Windruten und Quereisen stabilisiert und in die Wandöffnung eingesetzt, zuletzt mit Kitt abgedichtet. Auch Silbergelb und Emaille dienen als Malmittel.

Beton-Glasfenster verwenden 20-35 Millimeter dicke, gebrochene  Dall-Gläser, in ein Stahlskelett fixiert und mit Beton umgossen.

Künstler der Glasmalerei
Wer waren diese Leute?

Buschulte, Wilhelm (1923-2013), Unna.
Studien in München, arbeitete in 50ern zunächst naiv-figürlich, später geometrisch-ornamental. Frankfurter Paulskirche.

Geyer, Wilhelm (1900-1968), Stuttgart, Ulm.
Kunstakademie Stuttgart. Fenster für an die 200 Kirchen, u.a. Kölner Dom, Ulmer Münster.

Ernst Jansen-Winkeln (1904-1992), Mönchengladbach.
Mit fast 3000 Werken einer der meistbeschäftigten Kirchen- und Glasmaler der Nachkriegszeit, Fenster auch für zehn Kirchen in USA. Autodidakt. Kommt von der Grafik, Wurzeln in der katholischen Jugendbewegung.

Joachim Klos (1931-2007), Krefeld, Nettetal.
Studien zunächst in Weimar, dann an der Werkkunstschule Krefeld. Nach expressionistischer Phase ab Ende der 60er mehr geometrische Glasmalerei, Siebdruck, Raster.

Ernst Otto Köpke (1914-2009), Düsseldorf.
Studierte an der Kunstakademie Düsseldorf. Glasmalerei seit den 50ern mit Schwerpunkt Rheinland, Ruhrgebiet.

Hans Lünenborg (1904-1990), Mönchengladbach, Köln.
Werkkunstschule Krefeld, Kunsthochschule Hamburg, Kunstakademie Düsseldorf. Nach dem Krieg surreale, Weltliches und Sakrales vermischende Glasmalerei.

Johannes Schreiter (* 1930), Langen, Hessen.
Studien in Münster, Mainz, Berlin. Professor, später Rektor der Frankfurter Städelschule.

Hubert Spierling (1925-2018), Menden, Krefeld.
Werkkunstschulen Düsseldorf und Krefeld. Häufig Zusammenarbeit mit dem Viersener Architekten Heinz Döhmen (wie auch in St. Albertus). Typisch: schollenartige Farbflächen, virtuose Bleirutenführung.

Anton Wendling (1891-1965), Mönchengladbach.
Gelernter Lithograf, Schüler von Johan Thorn Prikker, Kunstgewerbeschule München, assistierte Heinrich Nauen an der Kunstakademie Düsseldorf, lehrte in Aachen an der Kunstgewerbeschule und der RWTH. Werke u.v.a. im Aachener Dom, in den romanischen Kirchen Kölns, Freiburger Münster.

Daan Wildschut (1913-1995), Maastricht.
Studien in ‘s-Hertogenbosch und Antwerpen. Glasmaler, Maler und Bildhauer. Glasfenster mit Schwerpunkt in den Niederlanden, z.B. im Münster Roermond

Glossar der Glasmalerei
Werden Sie zum Experten

Antikglas
  • Mundgeblasen oder maschinell gefertigt
  • Ca. 2 – 3 mm Dicke
  • Viele Farben und Farbverläufen 
  • Mit Lufteinschlüssen und rauer Oberfläche
  • Grundlage der Bleiglasfenster seit der Antike bis heute
Bleiruten
  • H-förmig
  • Umgeben & verbinden nach dem Löten die Glasscheiben
  • Ergeben das Bleinetz
Dallglas
  • Gefärbtes und bis zu 3 cm dickes Schmelzglas
  • Für Betonfenster verwendet
  • Die Kanten sind häufig gebrochen, der Lichtstreuung wegen
Emaille-Farben
  • Aufgemalt und aufgeschmolzen
  • Für kleine, kunstvolle Scheiben
Opalglas
  • Auch Kryolith-Glas genannt
  • Getrübtes Glas
  • Erscheint milchig und durchsichtig
Schwarzlot
  • Oxidiertes Eisen- oder Kupferpulver in Schmelzmittel
  • Nach dem Brand schwarz
  • Für Linien und Konturen
  • Lasur zum Abdunkeln
Windruten
  • Dünne Eisenstangen zur Stabilisierung der Scheiben
Quereisen
  • Dicke Eisenstangen zur Verankerung der gesamten Fensterkonstruktion

Alle Texte und Fotos sind von Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts e.V.
© Annette Jansen-Winkeln & Armin Kaumanns