Wie lebt es sich eigentlich in Neuwerk-Mitte, Bettrath-Hoven, in Uedding und im Stadtteil Flughafen? Wie ticken die Menschen dort, und was macht die vier Stadtteile in den Augen derjenigen, die dort leben, so besonders? Um das herauszufinden, haben wir uns mit einem von insgesamt 21.000 Anwohnern der vier Stadtteile getroffen: Till Hüttenberger.

Der 56-jährige Pfarrer ist als Teammitglied der Evangelischen Friedenskirchengemeinde Mönchengladbach zuständig für Neuwerk, Bettrath und einen Teil der Uedding. Außerdem ist Till Hüttenberger, der sich als Zehnjähriger mit seinen Eltern in Neuwerk ansiedelte, Präses der beiden Junggesellen-Schützenbruderschaften in Neuwerk und in Bettrath. Interessant zu wissen: Die Netzwerk- und Quartiersarbeit in den Stadtteilen, um die es hier geht, wird in Zusammenarbeit mit Partnern wie der Arbeiterwohlfahrt, dem Diakonischen Werk und anderen durch die evangelische Kirchengemeinde maßgeblich mitgestaltet.

Till Hüttenberger erinnert an die Anfänge der Stadtteile: „Neuwerk mit seinen damaligen Honschaften Damm, Dünn, Engelbleck, Neersbroich, Uedding, Hoven, Bettrath und Lockhütte wurde um das Kloster herum gegründet. Das Kloster, erstmalig 1135 erwähnt, gab dem ‚neuen Werk Mariens‘ seine Heimat. Und Neuwerk mit seinen damals zahlreichen Bauernhöfen versorgte das Kloster mit Lebensmitteln. Das ging so bis 1802, als Napoleon das Rheinland besetzte. Aber schon 1804 wurde aus dem alten Benediktinerinnen-Kloster die Pfarrkirche und Neuwerk eine eigenständige Pfarrei.In Bettrath mit seinen Honschaften Bettrath, Hoven und Lockhütte habe sich ab dem 18. Jahrhundert eine immer stärker ausgeprägte eigene Identität entwickelt“, erklärt Till Hüttenberger.

1890 baute man dort die Herz-Jesu-Kirche, zunächst als Ablegerin von Neuwerk, später dann und noch bis vor zehn Jahren als eigenständige Pfarrei. Die dritte Pfarrei im Bund ist St. Pius X. in Uedding. Die Kirche wurde 1958 gebaut. 2013 vereinigten sich dann alle drei Pfarreien zu einer: Maria von den Aposteln. Seit 1967 hat die Evangelische Gemeinde mit dem Karl-Immer-Haus eine eigene Kirche für Neuwerk und Bettrath.

Doch nicht nur auf kirchengeschichtlicher Ebene sei das Streben nach einer eigenen Identität ausgeprägt gewesen, sagt Till Hüttenberger: „So wird erzählt: Neuwerker und Bettrather Schützen prügelten sich früher auch mal, gerne in der Nähe des Eisenbahntunnels.“ Der Tunnel an der Dünner Straße war die Grenze zwischen Neuwerk und Bettrath. Auf der einen Seite ist dieser Tunnel rund, auf der anderen Seite eckig.

„Heute ist aus der alten Fehde eher etwas Neckisches geworden. Die beiden Junggesellen-Schützenbruderschaften und die beiden Männer-Schützenbruderschaften zum Beispiel haben ein vertrauensvolles Verhältnis zueinander, man macht vieles gemeinsam, spricht sich ab“, erklärt Till Hüttenberger.

Die Schützen seien nur eine der in Neuwerk und Bettrath ausgeprägten Initiativen, die eine gesellschaftliche Klammer um die beiden Stadtteile bildeten und sie so einten. Der Sport spiele eine weitere wichtige Rolle: „Bei den Sportfreunden Neuwerk spielen natürlich auch Bettrather mit.“ Der Radsportverein RV Adler 1901 ist deutschlandweit bekannt. Auch die Musik sei in beiden Stadtteilen eine große, gemeinsame Sache: „Ob Männergesangsvereine, Sankt-Barbara-Bigband oder Tambourchor Neuwerk: Musik verbindet immer.“

Till Hüttenberger, der Neuwerk verließ, um seine Studien abzulegen und einige Jahre auswärts zu arbeiten, kehrte 2006 in den Stadtteil seiner Kindheit und Jugend zurück. Er zog in das elterliche Haus, einen ehemaligen Bauernhof mit Bäckerei aus dem späten 19. Jahrhundert. Dort an der Bendhütter Straße wohnt die Familie – Till Hüttenberger ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern – bis heute.

Am schönsten an Neuwerk findet er die zahlreichen Aktivitäten der Anwohner: „Viele bemühen sich, ihre kulturelle Identität zu pflegen. Auch arbeiten wir auf ökumenischer Ebene sehr gut zusammen, alles Wichtige machen wir gemeinsam.“

Die Nähe zu und die gute Verkehrsanbindung an Düsseldorf sei schon eine Herausforderung, findet Till Hüttenberger: „Viele neue Menschen ziehen hierhin, was die Immobilienpreise hochschießen lässt. Wir haben viele Neubaugebiete, die Flächen verdichten sich. Spannend ist immer, wie sich Hinzugezogene und Alteingesessene einander annähern.“

In Stadtteil Flughafen gibt es nicht nur den vielgenutzten Flughafen Mönchengladbach und Industrie, sondern auch die reizvolle Nierssiedlung im Grünen. Die Uedding, ein ursprünglich ländlich bäuerliches Gebiet mit wunderschönen Höfen wie dem Mackeshof ist heute vor allem ein Wohngebiet. Dort gibt es lediglich eine Gaststätte, ein Restaurant und einen Bäcker, allerdings auch eine eigene Sportanlage und ein großes Schulzentrum. Viele Ueddinger, sagt Till Hüttenberger, fühlten sich zu Neuwerk gehörig.

„Durch die Ansiedlung der Textilindustrie – Stichwort: die denkmalgeschützte Webersiedlung in der Engelbleck – ging ab dem 19. Jahrhundert in allen vier Stadtteilen schon viel des dörflichen Charakters verloren. Es wurde zunehmend städtischer. Die Enge des Dorfes, wo jeder jeden kennt, fiel weg. Aber: Trotz etwa des Neuwerker Krankenhauses hat man sich eine gewisse dörfliche Identität erhalten können. Man sieht das etwa am Dorfanger an der Lockhütter Straße, dort wird zu Brauchtumsfeiern immer das Festzelt aufgestellt“, erklärt Till Hüttenberger. Er glaubt, dass auch dieses Dörfliche die Leute von außerhalb anzieht.